Was ist Suchttherapie?

Suchttherapie ist mehrdimensional, sie beschäftigt sich mit Suchtdynamik, Psychodynamik und Beziehungsdynamik. – Sie bleibt mit hoher Wahrscheinlichkeit bei niemandem auf Dauer wirklungslos. „Auf Dauer“ heißt: wenn notwendig werdende Nachbehandlungen (z.B. nach Rückfall)  auch in Anspruch genommen werden.

Die Psychodynamik ist verantwortlich für die Entstehung der Sucht, mittelbar oder unmittelbar. Bei jemanden, der z.B. mit Alkohol depressive Stimmungen aufgehellt hat muß die depressive Grundstimmung Thema in der Therapie werden. – Und wenn Alkohol als Belohnung für die berufliche Selbstausbeutung genutzt wurde, müssen die Motive für die Selbstausbeutung Thema der Therapie werden.

Die Beziehungsdynamik einzubeziehen ist auch in den Fällen sinnvoll, wo sie kein Faktor bei der Suchtentwicklung war. Denn die Beziehungsdynamik ist in jedem Fall ein Faktor bei der Neujustierung des Lebens, die durch die Abstinenz möglich wird und die Abstinenz sichert.

Über die Partnerschaft zu reflektieren, unbewußt „einregulierte“ Beziehungs- und Kommunikationsmuster gemeinsam zu entdecken und bewußt zu gestalten, führt in der Regel dazu, daß die Potentiale einer Partnerschaft besser genutzt werden können.

Die Therapie der Suchtdynamik beinhaltet: Einsichtsentwicklung, Willensbildung und Übung.

Einsicht und Willen bedingen einander. Ohne zu wissen, mit welchem Feind man es zu tun hat, kann man sich schlecht für Maßnahmen entscheiden, für die man die Komfortzone verlassen muß. Die meisten Menschen, die sich durch Sucht ruinierten, konnten sich nicht für das Durchhalten der Abstinenz entscheiden, weil sie immer wieder daran zweifelten, daß es wirklich notwendig sei.

Die „Übung“ besteht in der systematischen „Erforschung“ und „Durcharbeitung“ der Rolle von Fehlintuitionen und Erlaubniserteilenden Gedanken. Das Verlangen ist jahrelang darin trainiert worden, sich gegen die Einsicht durchzusetzen – man kann nicht erwarten, daß die Einsicht so mir nichts dir nichts in der Lage ist, sich gegen das Verlangen durchzusetzen, bloß weil sie gewichtiger geworden ist. Nicht Gewicht sondern Gewandtheit ist hier gefragt. Ohne Training hat die Einsicht keine Chance. Es ist genauso wenig eine Frage des Willens wie beim Klimmzug: sind die Muskeln nicht stark genug, kann man wollen soviel man will, man bleibt hängen.

 

Was spricht gegen eine rein medikamentöse Behandlung der Sucht?

Wir wissen nicht, ob es ein Medikament gibt, daß gegen Sucht hilft, ohne süchtig zu machen. Aber selbst wenn es das gäbe:

Wie blöd wäre es, nach all den Nachteilen, die die Sucht ins Leben gebracht hat, sie einfach bloß chemisch stillzustellen, statt zu lernen, sich selbst besser zu verstehen und den weiteren Lebensweg bewußter zu gestalten?

Abgesehen davon: Eine rein medikamentöse Therapie vermittelt den Betroffenen ein Erlebnis der Hilflosigkeit gegen das eigene Hirn – und falls sie nicht gelingt, macht sie noch hilfloser…

In der Regel werden Medikatmente nur Sinn haben, wenn sie mit Selbsthilfegruppenbesuch oder Therapie kombiniert werden. Zumindest wird der Weg zur Abstinenz mit Selbsthilfe und Therapie kürzer und komplikationsfreier und die Abstinenz wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zufriedenstellender, als wenn man nach medikamentös induzierter Abstinenz so klug ist als zuvor…

 

Stationär oder ambulant?

Diese Frage können am besten Therapeuten beantworten, die jahrelange Erfahrung in der ambulanten Behandlung von Abhängigen haben, die wissen am Besten, was ambulant geht oder nicht. – Eine stationäre Therapie ist in jedem Fall notwendig, wenn jemand nicht regelmäßig zu den ambulanten Behandlungsterminen kommen kann, weil er oft rückfällig wird. – Eine stationäre Therapie kann auch bei einer Kombination von Sucht und Burn-out sinnvoll sein.

Wichtig zu wissen:

Eine stationäre Therapie ohne ambulante Nachbehandlung ist oft zuwenig!

 

Ablauf der ambulanten Therapie:

Der Ablauf der ambulanten Suchttherapie ist wie bei einer Gesprächspsychotherapie: Sie haben ein bis zwei 50 minütige Einzelgespräche pro Woche.

Inhaltlich steht in der ersten Phase die Sicherung der Abstinenz im Vordergrund. D.h.: die Rückfallgefahren bis zur nächsten Sitzung werden besprochen. Dafür werden die bisherigen Erfahrungen mit absichtswidrigem Suchtmittelkonsum ausgewertet sowie die bisherigen Erfolge beim Konsumverzicht trotz Verlangen. – Diese „Untersuchungen“ werden gleichzeitig genutzt, um funktionale Zusammenhänge zu entdecken und bereits für die Rückfallprophylaxe nutzbar zu machen. – Darüberhinaus werden Bewältigungsstrategien gedanklich „durchprobiert“.

Je stärker die Abstinenz gefestigt ist, desto mehr stehen die funktionalen Aspekte der Sucht im Vordergrund. Die Suchttherapie ähnelt allmählich immer mehr einer nicht-störungsspezifischen Psychotherapie. – Im Unterschied zu nicht-störungsspezifischen Therapien können jedoch Konsumerwägungen, Gefühle, die mit dem Abschied vom Suchtmittel verbunden sind, Abstinenzängste, Verlangenserlebnisse oder gar Rückfälle jederzeit störungsspezifisch untersucht und bearbeitet werden.