In schweren Fällen von Depression wäre es ein schwerer Kunstfehler, keine Antidepressiva zu verordnen. Und es ist kein Versagen, derart schwer an Depression zu erkranken.
Doch bei milden Formen von Depression haben möglicherweise tägliche Spaziergänge eine stärker stimmungsaufhellende Wirkung als Antidepressiva. – Das sollte immer berücksichtigt werden, wenn jemand sagt: „Ja, aber die Wirkung von Antidepressiva ist doch belegt!“ – Natürlich, auch eine Lampe bewirkt Helligkeit im Raum. Aber über Tag ist es sinnvoller, die Rolladen hochzuziehen.
Der ärztlichen Verordnung von Antidepressiva sollte eine Analyse von Lebensstilfaktoren vorausgehen: Kann bei diesem Menschen auch durch Verbesserung von Lebensstil und Lebensumständen eine Stimmungsaufhellung und Antriebssteigerung erreicht werden, möglicherweise sogar eine weit stärkere, als durch Antidepressiva?
Es käme dann darauf an, die Betroffenen bei der Willensbildung bezüglich einer Weiterentwicklung ihres Lebensstils zu unterstützen. – Was spricht z.B. dagegen, täglich eine Stunde spazieren zu gehen? – Was spricht dagegen, sich professionelle Unterstützung zu holen, um die Verständigung mit den Vorgesetzen zu verbessern, damit es möglich wird, die eigenen Stärken und Erfahrungen besser zu einbringen, und die Arbeit sinnvoller, produkiver und weniger belastend zu gestalten?
Abgesehen davon, daß Antidepressiva Nebenwirkungen haben können (z.B. Gewichtszunahme), abgesehen davon, daß sie das Gefühl eigener Hilflosigkeit verstärken, wäre es doch blöd, wenn sie dafür genutzt würden, Mißstände auszuhalten, statt sie zu verändern!