Grundwissen Neuropsychologie

Neuronale Netzwerke

Nervenzellen, die zusammen aktiviert werden, werden miteinander verbunden. Je öfter diese Verbindung aktiviert wird, desto stärker wird sie, desto leichter wird sie aktiviert und desto schneller schaltet sie alles andere ab (reziproke Hemmung)…

Reziproke Hemmung

Verschiedene neuronale Netzwerke können nicht gleichzeitig gleich stark aktiviert sein. Die stärksten Netzwerke werden am schnellsten aktiviert und am dominantesten: sie „hemmen“ die andern Netzwerke. Anders wäre z.B. Konzentration nicht möglich. (Menschen, die unter dem ADHS-Syndrom leiden, leiden unter einer unzureichenden „reziproken Hemmung“.) Das Problem ist allerdings: die Inhalte in den „gehemmten“ Netzwerken können nur noch schlecht in ihrer wirklichen Bedeutung für die aktuelle Situation eingeschätzt werden. Das ist der Grund, warum wir manchmal so handeln, daß wir hinterher fluchen: „Ich könnt mich in den Arsch beißen! Ich wußt es doch eigentlich besser! Warum hab ich das trotzdem gemacht!?“ – „Niemand tut das Schlechte freiwillig“, sagten schon die antiken Philosophen und führten das Böse darauf zurück, daß die „sittliche Einsicht“ aus dem Blick geraten sei…

Schemata

Die neuronalen Netzwerke erzeugen auch Emotionen: Wer einen zickigen Vater hatte, wird unterschwellig sofort genervt sein, wenn ein Vorgesetzter ins Zimmer kommt, der äußerlich an den Vater erinnert. Diese „Reaktionsbereitschaft“ nennt man „Schema“: „immer wenn das und das der Fall ist, muß ich damit rechnen, daß das und das geschieht!“ – Die Psychoanalytiker nennen es „Übertragung“. – Psychotherapie unterstützt Menschen dabei, solche Schemata zu entdecken und einer „Realitätsprüfung“ zu unterziehen. – Das muß oft geschehen, denn die schematischen Reaktionen fallen im Bewußtseinsstrom meist gar nicht auf und sind mit einem überwältigenden Gefühl der „Richtigkeit“ und „Stimmigkeit“ verbunden, als könne es gar nicht anders sein, daß ein Mann der so aussieht wie der Vater, genauso bescheuert ist… – Natürlich machen sich Schemata nicht nur an Äußerlichkeiten fest, sondern an Ähnlichkeiten jeder Art. Gab ein zickiger Vater z.B. immer Ratschläge, kann auch eine Ratschlag gebende Cheffin das Gefühl auslösen, daß sie bestimmt eine ganz gemeine Zicke ist…

Ziele

In den neuronalen Netzwerken sind die Ziele definiert, die unser Verhalten leiten. Wir fühlen uns erst zufrieden, wenn wir diese Ziele erreicht haben. Das kann ein kulinarisches Lusterlebnis sein („ich muß aber noch was essen, das war heute noch nicht so toll wie sonst“) oder ein „Identitätsziel“ („ich muß da nochmal auftrumpfen, ich fühle mich noch nicht so anerkannt, wie mir das entspricht und zusteht!“). Natürlich laufen solche Prozesses meist nicht bewußt ab, denn sonst könnten wir „ein Wort mitreden“, z.B.: „So´n Quatsch, das kann mir doch egal sein, ob die mich toll finden oder nicht!“ – Hier sieht man schon, wie Therapie durch „Klärung“ (Bewußtmachung) die Freiheit vergrößern kann.
Solche Ziele nennt man „motivationale Schemata“: Immer wenn das und das aktiviert ist, hat die arme Seele nicht eher Ruhe, bis sie das und das erreicht hat. –

 

(Das sind stark vereinfachte Zusammenfassungen von Ausführungen aus: Klaus Grawe, psychologische Psychotherapie.)